Mittwoch, 12. Februar 2020

Reife(n)-Prüfung in Wupperthal

Von Sören
Heiß-Das ist der erste Gedanke, mit dem wir am Morgen in unserem Chalet aufwachen. Glücklicherweise sind für die erste Tageshälfte noch keine straffen  Programmpunkte geplant, daher können wir uns recht gemütlich mit der Lösung der basalen Probleme dieses Morgens beschäftigen: Kaffee? Frühstück? Schatten? Gegen Mittag schaffen wir es, unser Aktivitätsniveau anzuheben und Richtung Clanwilliam aufzubrechen. Hier werden zunächst die Kraftstoffreserven nachgefüllt, weiter geht es zum Staudamm mit der Ambition zu Baden. Allerdings entpuppt sich der Strand des schon stark eingedampften Stausees als weniger reizvoll, weshalb wir als Alternative den nahegelegenen Wildblumengarten besuchen. 




Schon die ersten sechs Meter Fussweg vom Eingang zu der einzigen der Hitze noch trotzenden Blüte im gesamten Park überzeugen uns von dem geringen Mehrwert dieser Idee. Bei 42 Grad auf der Anzeige des Autotermometers flüchten wir in den klimatisierten Innenraum eines Restaurants: Die hier angebotenen Rippchen, Chickenwings und Calamaris sind genau die Form von leichtem Snack, die uns jetzt richtig erscheinen. Zurück in unserer Unterkunft bereiten wir uns auf den ernsthaften Teil unserer Tagesplanung vor: Wir wollen uns mit Ernie und den anderen Mitgliedern des Moravian Posaunenchors in Wuppertal treffen! Ziemlich genau vor einem Jahr wurde das kleine einst von rheinischen Siedlern gegründete Dörfchen durch ein Feuer nahezu vollständig zerstört. Bei unserem letzten Besuch frisch nach dem Brand waren wir geschockt von den Ruinen in dem menschenleeren Örtchen. Umso gespannter sind wir nun auf die Entwicklung nach dem Brand und natürlich auch auf den Posaunenchor, der mit Spendeninstrumenten wieder aufgebaut werden konnte!
Den Weg in das zwischen den Bergen versteckte Dorf zu finden ist nicht schwer: Es führt nur eine Straße in den Ort...aber die hat es in sich! Links der steile Hang, rechts der Abgrund und unter uns eine nicht befestigte Piste aus Felsbrocken und Schlaglöchern schraubt sich in Serpentinen durch die Berge. Trotz des steinigen Weges treffen wir pünktlich zur vereinbarten Zeit in Wuppertal ein und auch direkt auf Ernie! Dieser begrüßt uns herzlich und führt uns stolz durch seinen Heimatort. Wir staunen nicht schlecht: Vor einem Jahr noch war Wuppertal eine Geisterstadt. Jetzt rennen Kinder durch die Straßen, an jeder Ecke stehen Gerüste, die traditionellen Häuser werden sorgfältig wieder aufgebaut und mühevoll mit Ret gedeckt. Wir kommen an die Teefabrik, einer der größten Arbeitgeber, die ihren Betrieb wieder aufgenommen hat. Der Fabrikleiter gibt uns eine spontane Führung, wir können beim Herstellungsprozess zusehen und lernen über die einzigartigen Qualitätsmerkmale des Wuppertaler Roibostees. Dieser wird von Hand an den steinigen Hängen geerntet und in der Fabrik geschnitten und fermentiert. 
Nach der Führung lädt uns Ernie in das Haus seiner Schwester, eines der wenigen vom Brand verschonten, zu einem Snack ein. Nach dem Essen treffen wir uns mit dem Rest des Wuppertaler Posaunenchors zu einer kleinen Musik in den staatlich geförderten Notunterkünften, die auf dem Rugbyfeld des Dorfes errichtet wurden. Einfach toll zu sehen, dass die Instrumente an die richtigen Leute gekommen sind! Wir sind dankbar für die Möglichkeit, solche tollen Freundschaften schließen zu können! Da es schon langsam dämmert müssen wir uns nach drei wundervollen Stunden in Wuppertal leider verabschieden. 







Der Plan, die eigensinnige Straße noch bei Tageslicht zu befahren geht leider nicht auf und schon bald irren wir im Dunkeln durch das unwegsame Gelände. Welche Kräfte dabei auf das Fahrwerk unseres Leiwagens wirken, wird uns kurz vor Erreichen der aspahltierten Strasse bewusst. Das Auto beginnt zu schwimmen, dann steigt uns der beißende Geruch von verbranntem Gummi in die Nase: Wahrscheinlich angesteckt durch unsere christliche Mission ist unser Forderteifen dem Beispiel des heiligen St. Martins gefolgt und hat fromm seinen Mantel geteilt-Barmherzigkeit bis an die Felge. Die Frage, ob sich der Reifen flicken lässt erübrigt sich: Der Mantel hat sich vollständig von der verbeulten Felge gelöst und im Radkasten verteilt. 




Glücklicherweise sind wir mit einem Reserverad ausgestattet. Wir nehmen die Situation mit Humor und machen uns an den Reifenwechsel. Die Aufgaben werden fix aufgeteilt: Unfallstelle absichern, Wagenheber anbringen  und das Reserverad unter dem Auto lösen-letzteres wurde von den deutschen Ingenieuren unseres Leiwagens nicht ganz so intuitiv gelöst, sodass wir uns durch die Bedienungsanleitung kämpfen müssen. Glücklicherweise bekommen wir Unterstützung durch eine Gruppe Einheimischer, die auf der Ladefläche ihres Pickups durch die Nacht düsen. Ganz selbstverständlich halten die jungen Männer und helfen uns geschickt bei unserer Panne. Die routinierten Handgriffe verraten, dass Reifenpannen dieser Art keine Seltenheit hier auf den Bergstraßen sind. So sind wir schnell wieder fahrbereit, bedanken uns für die selbstlose Unterstützung und setzen die Fahrt zu unserem Chalet fort. Hier werden wir für die Mühen des Tages mit einem phänomenalen Blick auf die Milchstraße belohnt. So lassen wir den Abend unter einem spektakulären Firmament mit Sternschnuppen und bei einem Kaltgetränk ausklingen. Morgen geht es schon zurück nach Capetown-es wird schwer sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass unsere Reise bald zu Ende ist...

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